Wow – ist das STARK! Wenn Sie nun meinen, dass ich mich in den nächsten Zeilen in Superlativen ergehe, dann muss ich Sie leider enttäuschen.
Bei STARK handelt es sich um ein Akronym aus „Strategieangeleitete Rechtschreibkompetenz“. Wer denkt sich so etwas aus? Dann nähern wir uns der Strategie einmal etwas an.
Unter STARK sind fünf Rechtschreibstrategien subsummiert:
- Abhören der Wörter, also den Klang des Wortes silbenweise erfassen
- Ableiten von Wörtern aus bereits bekannten
- Großschreibung von Nomen (hießen die nicht früher korrekterweise Substantive?)
- Prüfen der Vokallänge
- Merken von Ausnahmen
Betrachten wir ein paar Beispiele:
Die alphabetische Strategie, also das Schwingen der Silben, ist die Basis unserer Sprache. Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit – es muss wohl recht prägend gewesen sein – wie wir beim Sprechen im Takt der Silben mitgeklatscht haben.
Betrachten wir kurz die Morphene, also die kleinsten bedeutungstragenden sprachlichen Einheiten. „Autos“ bspw. besteht aus den Silben „Au“ und „tos“, aber aus den Morphenen „Auto“ und „s“. „Auto“ ist der Wortstamm, das „s“ ist die Endung, die in diesem Fall den Plural kennzeichnet. Im Deutschen gilt das Gesetz der Morphemkonstanz, so dass sich z. B. die Mehrzahlwörter unter Beachtung bestimmter Regeln hinsichtlich des Wortstammes (fast) immer aus der Einzahl ableiten lassen:
- „Autos“ durch Anhängen des Mehrzahl-s
- „Listen“ durch Anhängen des Mehrzahl-n
- „Mäuse“ durch Anhängen des Mehrzahl-e zzgl. der Umwandlung des Einzahl-as in den zugehörigen Umlaut
- usw.
Die Großschreibung der Substantive ist in der deutschen Sprache eine Einmaligkeit. In allen anderen Sprachen werden lediglich Eigennamen groß geschrieben. Das bedeutet, dass die Bestimmung der Wortart im Deutschen Einfluss auf die korrekte Rechtschreibung hat.
Aus der Aussprache bezüglich der Vokallänge ergibt sich oft die korrekte Schreibung:
- Beet – Bett
- Saat – satt
- Ofen – offen
Das klappt allerdings nicht immer, wie „Weg – weg“ deutlich zeigt.
Es gibt in der deutschen Sprache – so wie in jeder anderen – Ausnahmen. Genannt wir der Begriff „Arbitraritäten“. Das bedeutet, dass die Aussprache bzw. das Aussehen eines Wortes im Vergleich zur Schreibweise willkürlich erscheinen. So lässt allein das Aussehen des Wortes „grün“ keinen Rückschluss darauf zu, wie die Farbe aussieht. Im Gegensatz dazu ist „Kuckuck“ lautmalerisch, die Lautform lässt auf das Tier schließen. Das wäre allerdings etwas anderes, als im zugehörigen Dokument (s. u.) dazu steht.
Konkret sieht das dann so aus, wie im nebenstehenden Bild.
Um ehrlich zu sein: Ich verstehe das nicht und wüsste im konkreten Fall gar nicht, wie ich die Symbole setzen muss.
Dieses Arbeitsblatt ist mir durch eine Kollegin zugeleitet worden, deren Tochter sich gerade mit diesen Regeln auseinandersetzten „darf“.
Die [Kinder] sollen an die Wörter die oben gezeigten Zeichen erst dranschreiben und anhand dessen erkennen sie dann angeblich die Rechtschreibregel.
Du analysierst erst das Wort. Danach darfst du es erst schreiben quasi.
Kommentar der Kollegin dazu
Statt den Kindern Lesen und Schreiben beizubringen, versteigt man sich in herbeikonstruierte Methoden, die mehr Verwirrung stiften als was sie nützen.
Schreiben lernen ist (leider) ein Prozess, der nur durch vielfältiges – und manchmal stures – Üben bewerkstelligt werden kann. Dazu müssen die Kinder viel lesen und noch viel mehr schrieben, übrigens auch in Form von Diktaten, um eine zuverlässige Rückmeldung zu bekommen.
“Rechtschreibkompetenz“ kann algorithmisch erworben werden – was für ein Unsinn. Das Ganze folgt der Zerstückelung von Bildung in Kompetenzhäppchen.
Grundsätzlich stimme ich einigen der aufgezeigten Punkte in der nebenstehenden Graphik zu, aber dennoch bleibt das Erlernen der orthographisch richtigen Schreibweise ein ganzheitlicher Prozess, der individuell sehr unterschiedlich abläuft.
Vermutlich ist dieses Konzept der erneute Versuch, Symptome zu beseitigen, die durch falsche schulpolitische Entscheidungen erst erzeugt wurden.
Wow – ist das STARK! – klingt gut und ist sicher massenwirksam. Der Blick hinter die Kulissen zeigt aber erneut, dass Schule immer weiter entkernt wird.
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