Was man immer über diese Lehrer so hören muss. Sie haben vormittags recht und nachmittags frei. … und werden dafür fürstlich entlohnt!
Ich gehe davon aus, dass Sie diesen Gedanken auch schon hatten oder zumindest „mal davon gehört haben“. Nein? Sie halten Lehrer für fleißige, ehrliche und aufopferungsvolle Menschen? Dann lesen Sie bitte das Folgende.
Mit der Begründung, er habe pädagogische Vorerfahrung durch das Leiten von Cocktailkursen, hat ein verbeamteter Lehrer versucht, eine höhere Besoldung zu erzielen. Vor Gericht scheiterte er mit diesem Argument.
https://www.welt.de/vermischtes/article255337968/Klage-von-Realschullehrer-Keine-hoehere-Besoldung-fuer-Lehrer-durch-Cocktailkurs-Erfahrung.html
Besoldungsregelungen
Schauen wir uns zuerst die Besoldungsregelungen an. Im Regelfall wird ein Lehrer nach erfolgreich absolvierter Lehramtsprüfung als Beamter in den Schuldienst übernommen. Es gibt ein sogenanntes Eingangsamt, welches je nach Bundesland mit A12 oder A13 alimentiert wird. Unter bestimmten Bedingungen (z. B. Überschreitung der Altersgrenze, amtsärztliche Vorgaben usw.) erfolgt die Einstellung über einen entsprechenden Angestelltentarif. Das ist gesetzlich geregelt und damit kein Gegenstand gerichtlicher Prozesse.
Anders liegt das bei Seiteneinsteigern oder dem späteren (nach Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber) Einstieg in das Lehramt. In diesen Fällen wird das Einstiegsgehalt nach festgelegten Kriterien bestimmt, die immer mal wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind.
Bei den Seiteneinsteigern ist bspw. die fachliche Qualifikation im Sinne der möglichen Verknüpfung mit Inhalten des Lehrplans von Bedeutung. Hinzu kommt auch, ob der Kollege oder die Kollegin bereits als Vertretungslehrer mit Kindern gearbeitet hat. Je nach Schulform wird vor allem der erstgenannte Aspekt anders bewertet. In einer Berufsschule ist ein Elektromeister sicher anders aufgestellt als in einer Realschule (trotz des Themas Elektrizitätslehre im Physikunterricht).
Bei den Vordienstzeiten zählen neben der unmittelbaren Tätigkeit als (Vertretungs-)Lehrer auch andere Beschäftigungen, so z. B. als Integrations- oder Alltagshelfer, Erzieher im Nachmittagsbereich oder ähnliches.
Tätigkeiten als Lehrer
Ich kann nachvollziehen, dass die Aussage im Eingangssatz dieses Artikels nicht aus der Luft gegriffen erscheint. In der Öffentlichkeit wird immer wahrgenommen, dass Lehrer viel Freizeit durch Ferien haben (auch wenn das oft nicht so ist, aber dazu später mehr) oder eben mittags bereits die Schule verlassen können. Wenn dann noch offenbar wird, dass z. B. in der Realschule in NRW 28 Unterrichtsstunden als Vollzeit gelten (was ja 21 Zeitstunden entspricht), ist schnell vom gut bezahlten Halbtagsjob die Rede. Wie gesagt, verstehen kann ich das durchaus. Aber hat diese Wahrnehmung auch mit der Realität zu tun? Wie dreist ist es dann, vor diesem Hintergrund auch noch mit fadenscheinigen Begründungen mehr Geld zu verlangen?
Dass Lehrerinnen und Lehrer nicht nach Stechuhr – sieht man mal vom Stundenklingeln ab – arbeiten können, ist sicher nachvollziehbar. In den Schulen gibt es schlicht nicht genügend Platz, um allen Lehrern ein Büro für Vor- und Nachbereitung einzurichten. Damit ist klar, dass selbige in die Eigenverantwortung verlagert ist und im häuslichen Umfeld erledigt werden muss. Das Finanzamt erkennt daher auch die Arbeitszimmer steuerlich an. Wie nun genau alle mit dieser Eigenverantwortung umgehen, lässt sich nicht prüfen. Dann müsste ich als Schulleiter ja regelmäßig Hausbesuche machen.
Wie sieht denn nun der normale Alltag als Lehrer aus?
Es gibt einen Unterschied zwischen Halb- und Ganztagsschule. Die Zahl der Pflichtstunden ist gleich, die Organisation des Arbeitstages nicht. Am Ende gilt es aber, den Unterricht vor- und nachzubereiten. Das geschieht in den Nicht-Unterrichtszeiten. Die Kolleginnen und Kollegen an den Halbtagsschulen haben es da insofern einfacher, als sie den Nachmittag an mehreren Tagen frei zur Verfügung haben, die Ganztagskollegen müssen sich teilweise innerhalb der Unterrichtszeit in den Freistunden organisieren, was durchaus komplizierter ist, insbesondere in Zeiten, wo viel Vertretungsunterricht ansteht.
Vorbereitung bedeutet, dass man den Unterricht plant (was mache ich wie?), Arbeitsblätter oder Tafelbilder entwirft sowie Tests und Klassenarbeiten vorbereitet. Nachbereitung ist die Kontrolle von Schülerarbeiten, das Optimieren der Stundenplanung oder das Entwerfen neuer Unterrichtsreihen. Gerade in Fächern mit aktuellem Bezug ist es nicht möglich, Unterrichtskonzepte inhaltlich über viele Jahre zu verwenden. Zur Verdeutlichung: In meiner Schulzeit in den 70er und 80er Jahren hat noch niemand über die Wiedervereinigung gesprochen, heute ist sie bereits Teil des Geschichtsunterrichts.
Bleiben noch die Ferien. Zugegeben ist es verlockend, tatsächlich 12 Wochen Urlaub zu machen. Das funktioniert aber nicht. Oft liegen die Korrekturen in den Ferien, Liegengebliebenes muss aufgearbeitet werden. Tatsächlich dienen die Ferien auch zum Abbau von Überstunden. Auch wenn es manchem schwerfällt, das zu glauben, aber die Wochenarbeitszeit ist in einigen Phasen des Schuljahres höher als 40 Stunden.
Flitzpiepen überall?
Bevor nun die Beispiele herausgekramt werden, die wie oben bereits zitiert, ein Bild vermitteln, dem viele gern folgen wollen, sei gesagt, dass die große Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Job erwartungsgemäß wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben machen. Die einzelnen, die dann gern in den Medien genannt werden oder die jeder von uns aus der eigenen oder der Schulzeit der Kinder kennt, sind eine Minderheit, die es in vergleichbaren Berufen in gleichem Maße gibt. Der Unterschied ist einfach, dass Lehrer in der Öffentlichkeit stehen und damit deutlich mehr wahrgenommen werden.
Lehrer als Beamte
Da wäre noch das Beamtentum. Ob nun Lehrer Beamte sein müssen oder nicht, wird aus verschiedenen Gründen immer wieder diskutiert. Meist geht es um die Vorurteile und die üppige Pension.
Ich persönlich halte den Beamtenstatus für richtig, da der Staat das Bildungsmonopol (vergleichbar hier mit dem Gewaltmonopol) für sich beansprucht und die „Ausführenden“ dann logischerweise Staatsdiener – vulgo Beamte – sein müssen. Bei Polizisten wird das auch nicht diskutiert. Mir ist klar, dass es auch andere Standpunkte dazu gibt. Dann sollten sich die Befürworter der Abschaffung aber auch klar machen, dass Beamte beispielsweise kein Streikrecht haben und ihrem Dienstherren gegenüber zur Loyalität verpflichtet sind. Viele sehen nur die Vorteile des Beamtentums, es gibt aber auch eine Kehrseite. Wenn angestellte Lehrer streiken gehen, fällt Unterricht aus. Das wollen viele am Ende auch nicht. Zudem haben Angestellte keine Remonstrationspflicht. Das führt an dieser Stelle aber zu weit.
Fazit
Lehrer sind auch nur Menschen.
Eigentlich ist damit alles gesagt. Unser Berufsstand bzw. die Menschen darin sind genauso normal oder eben auch „fehleranfällig“ wie jeder andere auch. Wo ein Schlupfloch ist, wird es zuweilen auch genutzt.
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.
Johannes 8,7
Das Zitat ist sicher etwas dick aufgetragen, aber die Idee dahinter ist meiner Ansicht nach richtig. Die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer verrichtet ihren Job anständig, fleißig und vor allem mit dem richtigen Blick auf unsere Kinder. Deren Bildung und Erziehung stehen an erster Stelle, auch wenn das bedeutet, etwas mehr machen zu müssen, als es die Stellenbeschreibung verlangt. Und dass es Flitzpiepen gibt, ziehe ich mit diesem Artikel gar nicht in Zweifel.
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[…] Grundannahme, dass der Beruf des Lehrers mit „hat vormittags recht und nachmittags frei“ beschrieben werden kann, war schon immer falsch. Gerade in den Zeiten der flächendeckenden […]