YouTube goes IHK
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YouTube goes IHK? What the hell? Warten Sie es ab, gleich erkläre ich, warum der „Beruf“ des YouTubers endlich anerkannt gehört.

Beim Betrachten der YouTube-Seite – ich schaue mir z. B. sehr gern Restaurationsvideos an, um mir Anregungen für mein Hobby zu holen – werden mir ab und an Shorts angeboten, bei denen die Versuchung hoch ist, mal reinzuschauen. Gesagt, getan.

Nachfolgendes ist exemplarisch, kann aber meiner Ansicht nach verallgemeinert werden.

Einer dieser Kanäle ist Little Lini, der wie folgt beworben wird:

✨ Willkommen bei Little Lini! ✨

Auf meinem Kanal erwartet dich eine bunte Mischung aus Spaß, Unterhaltung und kreativen Momenten. Ob lustige Clips, süße Alltagssituationen oder kleine Überraschungen – bei mir findet du immer etwas zum Lachen, Staunen und Mitfühlen.

Ich möchte dir mit meinen Videos ein Lächeln ins Gesicht zaubern und dir zeigen, dass auch die kleinen Dinge im Leben besonders sind. 💖

➡️ Wenn du Lust auf witzige, süße und unterhaltsame Inhalte hast, dann bist du bei Little Lini genau richtig! Vergiss nicht, meinen Kanal zu abonnieren, damit du keine neuen Videos verpasst. 🎥

Okay, das klingt nach netter Unterhaltung.

Bevor ich missverstanden werde: Jeder, der das möchte, kann so etwas machen. Ich kritisiere das gar nicht.

Der Kanal zeigt ausschließlich sog. Shorts – also kurze Videos im smartphonetauglichen Hochformat – die dazu verleiten, immer weitere aufzurufen. Das ist ein durchaus mit anderen Social-Media-Plattformen vergleichbares Prinzip. Dabeibleiben ist alles.

Zu sehen ist in den Clips eine junge Frau, vermutlich Anfang 20, die kleine Geschichten erzählt (Zahl der Aufrufe am 25.09.2025, 08:00 Uhr):

  • „Wieso Megan Fox, wenn du mich haben könntest?“ (160 000)
  • „Hier sind 100 € für letzte Nacht.“ (250 000)
  • „Warum kaufst du eigentlich so viele Gurken? Falls eine stecken bleibt.“ (600 000)
  • usw. usf.

Die TOP 8 hat Aufrufe im Millionenbereich. Das Thema ist immer das gleiche, noch nicht mal in Zweideutigkeiten formuliert, sondern gerade heraus.

Warum nun die IHK?

Unter socialblade.com kann man die geschätzten Einnahmen der YouTuber sehen. Schauen wir und den Kanal mal genauer an.

  • online seit 12.08.2025, also seit 1,5 Monaten
  • über 8 000 Abonnenten, 108 (Short-)Videos
  • Bewertung B+

Die geschätzten Einnahmen liegen zwischen 3 500 und 56 000 $ pro Monat. Unterstellen wir, dass diese junge Frau Einnahmen am unteren Ende der Schätzung erhält, dann kann man bereits davon gut leben.

Das ist grundsätzlich – ich wiederhole mich – nicht zu verurteilen.

Es zeigt allerdings zwei Entwicklungen, die mich nachdenklich machen:

  • Wieso ist es möglich, ohne Ausbildung, ohne Anstrengung, evtl. sogar ohne jegliches Talent (sieht man vom Talent des „Content Creators“ mal ab), derart viel Geld zu generieren.
  • Wer schaut sich diese Videos millionenfach an. Was sagt das über die Konsumenten oder sogar uns alle aus?

Ja, ich habe auch geschaut, aber nach dem ersten Short – den man eigentlich fast schon als Quickie bezeichnen kann – diesen Artikel geschrieben.

Die Industrie- und Handelskammer vergibt Berufsabschlüsse auf Basis einer Prüfung, die man nach 3 (oder mehr) Jahren Ausbildung ablegen muss. Die Einstiegsgehälter in Industrie und Handwerk sind sicher gestiegen und durchaus attraktiv, aber den o. g. Bereich kann man wohl kaum erreichen, selbst teilweise nach Jahren nicht.

Wenn Kinder und Jugendliche freien Zugang zum Internet haben und massenhaft derart Dinge konsumieren, habe ich mit Berufswahlorientierung und allem, was der Findung eines Ausbildungsberufs dient, wohl kaum eine Chance.

Dass wir hier eine Entwicklung sehen, die kaum zu stoppen ist, liegt auf der Hand:

  • Eltern gewähren selbst ihren Jüngsten freien Zugang zum Netz, viele Kinder im Grundschulalter besitzen ein eigenes Smartphone.
  • Schulen bzw. die Schulpolitik regulieren wenig bis gar nichts in diesem Zusammenhang. Selbst in der Schule gibt es keine digitale Enthaltung, obwohl sie hier nicht zuletzt aus lernpsychologischer Sicht dringend geboten wäre.

YouTube goes IHK? Nein, ganz sicher nicht. Was wir brauchen, ist eine vernünftige Familien- und Schulpolitik, die es möglich macht, dass unsere Kinder mündig und allgemeingebildet die Schule verlassen. Wir entfernen uns leider immer weiter von diesem Ideal.

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Von sp

2 Gedanken zu „YouTube goes IHK“
  1. Diese Entwicklung ist wirklich besorgniserregend. Der Einfluss der Medien auf die Kids ist größer als der der Schule. Das Resultat Reizüberflutung, Konzentrationsschwäche, Empathielosingkeit und Werteverfall. Vom sinkenden Leistungsniveau ganz zu schweigen.
    Ist diese Entwicklung überhaupt noch aufzuhalten?

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