Fahrschule – ein Desaster bezieht sich auf einen Artikel im Focus, veröffentlicht am 26.01.2025 in der Online-Ausgabe.
Der Autor Prof. Dr. Florian Becker von der Ludwig-Maximilians-Universität in München macht die Schulbildung dafür verantwortlich, dass mittlerweile 50 % die theoretische Fahrprüfung nicht schaffen.
Die theoretische Prüfung ist eine reine Lernprüfung . Hinsetzen, lernen, sich abfragen, wieder hinsetzen, weiterlernen… bis man es kann.
Das ist es – das verpönte Auswendiglernen. Die Theorie kann man sich eben nicht mit Think-Pair-Share, Gruppenpuzzle oder iPad-Learning aneignen. Na sowas…
Der Autor zählt folgende Dinge auf, die er als Hauptursachen versteht:
- Etwa 25 Prozent der Kinder können nach der Grundschule weder richtig lesen noch schreiben . (IGLU-Studie). Immer mehr dürfen dennoch auf das Gymnasium.
- Die Leistung in Mathematik, Naturwissenschaft und Lesen ist seit über 10 Jahren im Sinkflug (PISA-Studie).
- Damit die Kinder sich auch ja nicht entwickeln, hat man alle Standards immer weiter gesenkt. Noten werden immer besser – trotz objektiv schlechterer Leistung. So erhalten jetzt bundesweit etwa 30 Prozent ihr 1er-Abi.
- Irgendwo der Beste zu sein oder gar zu gewinnen, ist mittlerweile verpönt und wird systematisch beseitigt. Beispielsweise der Wettbewerb bei Bundesjugendspielen in den Grundschulen.
- Zunehmende Berichte aus der Praxis runden das Bild ab: Kinder, die zu spät kommen, keine Hausaufgaben mehr machen, ohne Frühstück erscheinen, weil es für Erziehungsberechtigte zu anstrengend ist morgens aufzustehen, desinteressierte und passive Eltern, Regellosigkeit und Gewalt. Schulleiter, die sich dem entgegenstemmen und Disziplin einfordern, berichten von politischem Druck.
Leistungsdruck, Hausaufgaben, Noten seien schädlich für die Kinder. Selbsternannte Fachleute (Bildungsforscher, Psychologen usw.) behaupten das jedenfalls immer wieder und wollen z. B. die Benotung abschaffen.
Der Autor nutzt den Begriff des „Low-Performers“, eine Spezies, die mir persönlich in unserer Schülerschaft massenhaft begegnet. Dabei geht es nicht nur um die Ein-Gaul-springt-nur-so-hoch-wie-er-muss-Mentalität, sondern auch um das Unvermögen, sich Wissen anzueignen. Die Kinder wissen schlicht nicht mehr, wie man lernt. Florian Becker spricht von „zunehmender Verblödung und Demotivation“. Deutlicher geht es kaum.
Jetzt könnte man ja auf die Idee kommen, dass
- die Lehrer schlechten Unterricht machen oder nicht gut erklären
- zu wenig Sprachförderung stattfindet
- die Familien zu arm sind
Dieser Käse – anders kann ich das gar nicht mehr nennen – wird seit Jahrzehnten erzählt, statt sich den echten Ursachen zu widmen.
Der Autor nennt zwei Faktoren für das Gelingen von Bildung:
- Intelligenz
- Selbstdisziplin
Der umgekehrte Flynn-Effekt beschreibt, dass der IQ seit den 90er Jahren nicht mehr zunimmt, sondern eher abnimmt. Die Fähigkeit, eine Sache gegen den inneren Schweinehund durchzuziehen, nimmt ebenfalls immer mehr ab. Statt dessen schwurbeln viele über „work-life-balance“, 4-Tage-Woche usw. Politisch getragen wird dies zusätzlich durch Debatten, dass man den Reichen doch viel mehr – z. B. in Form von Vermögens- und Erbschaftssteuer – abverlangen könnte, um es den Armen zu geben.
Bevor ich missverstanden werde: Natürlich gibt es gravierende Ungerechtigkeiten in unserem Steuersystem, aber „arm gegen reich“ ist Propaganda, mehr nicht!
Wenn die Politiker immer wieder behaupten, die Sozialsysteme müssten noch weiter ausgebaut werden, dann stellt sich doch die Frage, wer das noch bezahlen soll. Unsere Wirtschaftsordnung – ob man den Kapitalismus nun mag oder nicht – basiert auf Geld, das erwirtschaftet werden muss. Dazu braucht man Menschen, die etwas leisten können, entweder als fleißige Arbeitskraft am Band oder als kreativer Kopf, der etwas Neues erfindet.
Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir dafür sorgen, dass wieder mehr Kinder zu handlungsfähigen Persönlichkeiten reifen. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die Spitzenleistungen erzielen – und weniger Menschen, die schon an einfachsten Anforderungen des Alltags scheitern.
Leider bleibt Herr Becker konkrete Maßnahmen schuldig, aber das ist letztlich auch nicht seine Aufgabe. Er fordert eine tabulose Diskussion über die Ursachen und ihre Beseitigung.
Am Schluss Auszüge aus Kommentaren von Lesern des Artikels, von mir kommentiert:
Schuld sind nicht die Kinder. Es sind die Politiker, Lehrer und Eltern. Immer schön kuschelig, kein Leistungsgedanke, kein Frontalunterricht. In der Mitte des Klassenzimmers liegt eine Kuscheldecke, wo jeder Schüler mal während des Unterrichts abhängen darf. Ständig die Frage “ Magst du jetzt…“. Und tausend andere kleine Dinge, die ein grauenvolles Gesamtbild ergeben. Aber: wählt bloß nicht die AfD, die will, dass Leistung wieder gefördert wird. Schrecklich.
Leider ist Politik, Eltern- und Lehrerschaft viel zu sehr von dieser Denkweise durchzogen. Junge Lehrer werden heute ausschließlich so ausgebildet, dass es dieser Kuschelpädagogik zuträglich ist. Erst die Erfahrungen in der Schule zeigen den jungen Kolleginnen und Kollegen, dass die Realität ernüchternd ist. Ein Teil zieht Konsequenzen, ein anderer nicht.
Die „Abschaffung“ des Leistungsgedanken ist der völlig falsche Weg. Da muss man sich nicht wundern, dass die Leute lebensuntüchtig sind, wenn sie von ihren Eltern bzw. der Gesellschaft von Geburt an in Watte gepackt werden. Und die Schule kann ganz bestimmt nicht alles richten.
… soll sie aber.
Es ist höchste Zeit, sich von dem Gleichmacherniveau zu verabschieden. Das scheint seit Jahren politisch gewollt. Früher war Deutschland als Leistungsgesellschaft bekannt. Davon sind wir weit entfernt, denn auch Leistung lohnt sich nicht mehr. Ja keine Niederlagen für Kinder? Völlig falsch. Fehler und Niederlagen haben den größten Einfluss auf die Entwicklung. Der Unterschied zwischen Affen und Menschen besteht darin, dass Menschen denken können (frei nach Marx).
Der eindeutige Wille, das gegliederte Schulsystem abzuschaffen, ist ein deutliches Zeichen für die Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft.
Wer zu Marx‘ Affe nachlesen möchte: https://www.kritische-psychologie.de/1983/marx-affe
Ich sehe vor allem im exzessiven Gebrauch von Smartphone und social Media das Hauptproblem. Dadurch bleibt keine Zeit mehr für die eigentlich wichtigen Dinge des Lebens. Es gibt Apps, die den Gebrauch über den Tag protokollieren. Da würde mancher staunen, wieviel Stunden er damit vergammelt hat.
Auch hier ist die Politik in Deutschland absolut kontraproduktiv. Statt die Smartphones zu verbieten, werden die Schulen mit Tablets „überschwemmt“.
Gestern im Restaurant: Ich erhielt meine Rechnung (22 €) von einer sehr jungen Dame. Ich lege einen Fünfziger hin und erhöhe mit einer 2-€-Münze. Als Rückgeld erhielt ich 21 € und ein fragendes Gesicht. Soviel zum Thema Pisa. Da war ich wirklich sprachlos.
Liebe Mathelehrer, stellt diese Aufgabe mal in einer Klasse 10 und staunt…
Zu blöd für den Führerschein – aber „kriegstüchtig“ werden wollen.
Genau darum geht es: Halte die Menschen dumm, dann können sie wichtige Zusammenhänge nicht mehr verstehen. Ach ja, auf dem Schlachtfeld ist es ziemlich egal, ob jemand die theoretische Prüfung geschafft hat, da stehen keine Verkehrszeichen.
Es gibt auch einige Kommentare, die die Ursache für die hohe Durchfallquote in den unsinnigen Fragen der Theorieprüfung sehen, die Praxis wäre doch viel wichtiger. Das kann man so oder so sehen, aber das Konzept der dualen Bildung hat Deutschland in der Vergangenheit nicht ohne Grund an die Weltspitze geführt. Dann dreht man sich vor allem im Kreis, denn auch das, was Schule an Wissen vermitteln soll(te), ist weit mehr, als jeder einzelne im Leben u. U. benötigt. Ich möchte an dieser Stelle auf meinen Artikel zum Humboldtschen Bildungsideal verweisen.
Fahrschule – ein Desaster? Nein, Schulbildung ist das Desaster, die Fahrschule exemplarisch dafür nur eine unmittelbare Folge.
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