Eine Liebeserklärung an das Schreiben mit Hand
Bevor ich in einen emotionalen Rausch komme – wann mache ich außer gegenüber meiner Frau schon Liebeserklärungen – soll das Thema versachlicht werden.
STEP 2022
Da wäre zunächst die Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben vom 31. Mai 2022 (kurz STEP 2022), die in Zusammenarbeit zwischen dem VBE und dem Schreibmotorik Institut entstanden ist.
Bereits das Überfliegen der Studienergebnisse zeigt ein katastrophales Bild. Interessant wir es ab Seite 24 mit der Benennung von Möglichkeiten, die Defizite abzubauen:
- mehr basteln, malen, kochen, …
- mehr Schreiben üben (sowohl in der Schule als auch zu Hause)
- Ergotherapeuten hinzuziehen (im Unterricht)
- mehr Sport
- Motivierung der Eltern als Vorbilder
Die Realität ist teilweise das komplette Gegenteil davon. Übrigens lehnen die Studienteilnehmer den Einsatz von digitalen Medien als Unterstützung beim Schreibenlernen eher ab (49 % bewerten dies als kaum, schlecht oder sehr schlecht geeignet, weitere 22 % sind der Meinung, dies könne ein wenig helfen).
Die folgende Graphik ist aus der Studie und zeigt, was aus Sicht der Teilnehmer hätte helfen können:

Auch hier ist noch einmal deutlich zu erkennen, dass den digitalen Medien wenig Wirkung zugesprochen wird.
Meine Frage zu dieser Studie ist lediglich folgende:
Was ist daran neu? Sind dies tatsächlich grundlegend neue Erkenntnisse oder eher eine Bankrotterklärung an die Schulpolitik und die Bildungsforschung?
Studien von Frontiers in Psychology
In einer Studie, publiziert auf den Seiten von „Grenzen der Psychologie“ zum Thema fanden die Forscher heraus, dass die Fähigkeit, Buchstaben zu erkennen für Menschen mit geübter Handschrift besser möglich ist. In einer weiteren Studie ging es darum, dass die Merkfähigkeit höher ist, wenn Informationen mit der Hand aufgeschrieben wurden.
Auch hier stelle ich mir die Frage, wieso diese Themen einer Studie bedürfen. Jeder – so denke ich – weiß aus eigener Erfahrung, dass bereits das Anfertigen des Spickzettels dazu führt, dass das dort niedergeschriebene Wissen oft auch ohne Zuhilfenahme desselben verfügbar war. Mir ging es jedenfalls nahezu immer so.
Early Adopters

Die skandinavischen Länder hatten sehr früh begonnen, die Schulen durchgängig zu digitalisieren und ernteten damals große Hochachtung auch in den deutschen Medien, die Deutschland in diesem Zusammenhang immer wieder als unterentwickeltes Bildungsland bezeichneten. Auch die Politik schwang sich auf dieses Pferd und forderte immer weitere Digitalisierungsoffensiven, nicht zuletzt getrieben durch das unsägliche „Homeschooling“ in der C-Zeit.
Jetzt allerdings haben die Schweden und Norweger festgestellt, dass sie einen Irrweg eingeschlagen haben – na so etwas aber auch… 🤔
Und schwuppdiwupp haben auch unsere Bildungsforscher umgeschwenkt – ein Schelm, der Arges dabei denkt. Aber ganz verschwinden sollen die Tablets dennoch nicht. Für die Schule und die Bildung der Zukunft braucht es hybride Lösungen. Lassen wir das so stehen.
Tag der Handschrift
Es gibt ja für alles und jeden irgendwie einen „Tag des oder der …“. Warum soll das bei der Handschrift anders sein. Gefeiert wird am 23.01. – und wie kann es anders sein, ursprünglich in den USA. Zurück geht dies auf John Hancock, den Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, der am 23.01.1773 geboren wurde.
Die Not ist mittlerweile so groß, dass es deutschlandweit Kritzelpaten geben soll. Dann haben wir in den Grundschulen neben den Lese-Muttis nun bald auch noch besagte Kritzelpaten. Mal sehen, wann dann noch die Sport-Helfer und Rechen-Trainer hinzukommen.
Fazit
Obwohl dieser Text nicht mit der Hand geschrieben ist – sieht man mal davon ab, dass ich jede Taste persönlich von Hand bedient habe – bin ich ein großer Fan des selbständigen Handschreibens. Die schulische Realität ist leider eine andere. Da wird das Tablet gern genutzt, da gibt es Massen von Arbeitsblättern, in die wenige Worte eingetragen werden müssen, im Unterricht wird viel „entwickelt“ und wenig geschrieben. Okay, das ist in der Tat zu pauschal geschildert, aber der Trend ist deutlich sichtbar.
Am schlimmsten finde ich eines der Argumente contra selbst (ab)schreiben:
Die Kinder sind so langsam, da schaffe ich doch gar nichts.
Unterricht bemisst sich allerdings an Qualität, nicht an Quantität.
Abschließend noch ein Wort zur Verwendung digitaler Medien. Ich unterrichte Informatik, womit klar sein dürfte, dass der PC zentrales Arbeitsmittel ist. Ich bin aber mittlerweile davon weg, alles am PC machen zu lassen. Recherchieren und Zusammentragen von Informationen endete nämlich häufig bis immer in „Copy and Paste“. Noch Fragen…??
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